Schreibwettbewerb Feki.de Gewinnerin Jessica Schottorf

Wie es wohl wird, wenn es wieder normal ist?

17. Juli 2020Gast

Gewinnerbeitrag des Schreibwettbewerbs von Feki.de, Rezensöhnchen und Ottfried: "(Uni-)Alltag nach Corona"

von Jessica Schottorf

Wie es wohl wird, wenn es wieder normal ist?

Wie es wohl wird, wenn es wieder normal ist, seine Seminare nicht am Schreibtisch daheim sondern in der Uni zu haben?
Wie es wohl wird, wenn es wieder normal ist, mit 400 Leuten in einem Vorlesungsraum zu sitzen?
Wie es wohl wird, wenn es wieder normal ist, sich zur Begrüßung die Hand zu geben?
Wie es wohl wird, wenn es wieder normal ist, dass dein Hintermann an der Supermarktkasse dir seinen Einkaufswagen in die Hacken rammt?

Wie es wohl wird, wenn es wieder normal ist?

Können wir wirklich wieder in Menschenmassen auf einem Festival stehen und nicht darüber nachdenken, ob wir uns oder andere gefährden?
Können wir wirklich wieder durch die Stadt gehen, ohne nicht doch noch ein bisschen darauf zu achten, ob wir Abstand zu einander halten?
Wenn ich mir die Bamberger Innenstadt an Samstagen ansehe, habe ich das Gefühl, manche Leute können das scheinbar jetzt schon ohne Probleme...
Ob ich es wieder können werde? Keine Ahnung.

Wie es wohl wird, wenn es wieder normal ist?

Werden wir so schnell wieder bei unseren alten Gewohnheiten sein, wie es auch normal wurde beim Einkaufen eine Maske aufzusetzen (oder nochmal zurückzurennen, weil man sie vergessen hatte).
Werden wir überhaupt irgendwas aus dieser Krise mitnehmen?

Da ist der eine Teil in mir, der Optimist, der denkt:
Sehen wir es als Chance - Vielleicht verändern wir Dinge
Vielleicht achten wir mehr aufeinander?
Vielleicht schätzen wir wieder die kleinen Dinge?
Vielleicht besuchen wir öfter unsere Liebsten?
Vielleicht befreien wir in Deutschland das Internet aus seinem ewigen Status als Neuland?

Und dann ist der der andere Teil in mir, der Realist, der denkt:
Haben wir wirklich jemals aus unserer Vergangenheit gelernt?
Haben wir uns nicht alle nach der letzten Klausurenphase vorgenommen, das nächste Mal aber wirklich früher mit dem Lernen anzufangen?
Haben wir uns nicht alle jedes Jahr an Silvester wieder die gleichen Dinge vorgenommen?
Sollte man nicht meinen, die Menschen hätten nach einem Krieg verstanden, wie sinnlos er ist? Kamen danach nicht doch jedes Mal neue?
Wird sich tatsächlich etwas verändern, nur weil wir jetzt philosophisch angehaucht behaupten, dass uns diese Krise die Augen geöffnet hat?
So viele Sachen, die man sich vornimmt,
so viele Dinge, die man anders machen möchte.

Wie wird es sein, wenn es wieder normal ist?

Sitzen wir in einem Café,
mal wieder gelangweilt von dem was uns unsere Freundin erzählt?
In Gedanken schon ganz wo anders?
Werden wir uns an die Zeit erinnern, in der wir uns nichts sehnlicher gewünscht haben,
als endlich wieder in ein Café zu gehen?
Wird der Gedanke daran etwas verändern?
Werden wir überhaupt daran denken?
Schätzen wir unsere Freiheiten jetzt tatsächlich mehr?
Und wenn nein, sollten wir dann nicht genau jetzt damit anfangen?

Wie es wohl wird, wenn es wieder normal ist?

Die Unsicherheit über diese Antwort, lässt sich leicht an der Anzahl der Fragezeichen in diesem Text ablesen. Hier sind es 33.
33 Fragen, die ich mir stelle.
33 Fragen, die nur ein Bruchteil von denen ausmachen, die wir alle haben.
33 Fragen, deren Antwort wir erst wissen, wenn wir die Fragen selbst wahrscheinlich schon wieder vergessen haben.

Wie es wohl wird, wenn es wieder normal ist?

Bildnachweis: 
Jessica Schottorf
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