Die Welt als Greenscreen

02. Dezember 2017 - Enya Assmann

Am 24. November 2017 feierte das Stück „Am Königsweg“ Premiere im ETA Hoffman Theater. Die österreichische Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek verarbeitet darin ihre Gefühle nach dem Abend, an dem Donald Trump zum 45. Präsidenten der USA gewählt wurde.

Alles ist bereit für ihn, gespannt wird gewartet auf die nächste unerhörte Äußerung, den nächsten Fauxpas, immer noch ist unverständlich, fast unfassbar, was wir da bestellt haben – aber gewählt ist gewählt. Wir versuchen aufzunehmen und zu interpretieren, was gesagt wird, wie Politik gemacht wird: „Achtung, hier kommt der neue König, schnell das Gerät aufdreh'n!“ (ETA Hoffmann Theater)

„Wer mir folgt, ist okay. Wer nicht, ist nicht okay. Der ist gefeuert.“

Regisseur Daniel Kunze inszeniert Jelineks Momentaufnahme der politischen Verunsicherung in 90 Minuten im kleinen Studio des ETA. Zu Beginn ist die Bühne dunkel, die drei Darsteller lassen sich nur vage erahnen, wenn sie sprechen, richten sie ihre Taschenlampe auf das Publikum. Sie erzählen von den Schatten an der Wand, die sie als Realität verstehen und machen deutlich, dass wir inmitten dieser politischen Unruhe wie die Unwissenden in Platons Höhlengleichnis sind. Wir verlassen uns in Zeiten des populistischen Aufschwungs auf „fake news“, und sind mit einem oberflächlichen Kratzen an wichtigen Themenbereichen zufrieden. Als das schließlich Licht angeht, blinzeln sowohl Zuschauer, als auch Darsteller angestrengt in die neue Umgebung.

Das Bühnenbild wird durch die Farbe Grün dominiert - grüner Boden, grüne Wände und die Darsteller stecken in enganliegenden grünen Kostümen. Auf dem Boden stehen verschiedene Büsten bekannter historischer Persönlichkeiten. Die Wände und der Boden sind mit Greenscreenfolien abgedeckt, über der Szenerie hängt eine große Leinwand.
Der Beginn der Inszenierung zeichnet sich durch einen YouTube-Influencer-artigen Ton aus, in dem die Darsteller die Ankunft des Königs verkünden und dessen Aufgaben für die neue Regierung. Einzeln treten die Darsteller hervor und sprechen in ein Mikrofon, unter dem symbolisch die Jacke des Präsidenten hängt. Sie erzählen von dem Weg, den das Gold in der Welt machte, von Globalisierung und der abgehängten Arbeiterschaft und sind dabei von einer tiefen Ratlosigkeit ergriffen.

Der König steht nun als Retter da, doch scheint er in einer Welt der Sehenden ebenfalls blind zu sein. Er ist wie König Ödipus, bringt mit sich eine dramatische Wendung, die hätte abgewendet werden können. Doch die blinden Seher haben es trotz Orakel nicht kommen sehen. Niemand hat es gewollt, das haben wir nicht bestellt. Live wird moderiert, wie der König sich die Augen aussticht, geblendet von der eigenen Blindheit.

„Das ist so großartig an der Demokratie, irgendwo müssen wir die noch haben!“

Nachdem der König sich die Augen ausgestochen hat und von einem Journalisten (Paul Maximilian Pira) befragt wird, packt er diesen gewaltsam am Arm und beginnt „The Winner takes it all“ von Abba zu singen, während er sich grüne Farbe als Tränen unter die Augen schmiert. Mit der technischen Magie des Stückes verwandelt sich dieser Anblick auf dem großen Bildschirm in Tweets, die dem Präsidenten bei seiner Performance die Augen hinunterlaufen.
Gegen Ende stehen die Darsteller ratlos vor einer schwarzen Leinwand, auf der Hasskommentare aus dem Internet vorbeirauschen. Die Juden seien an dem Holocaust selbst schuld, die Gaskammern sollten wieder eingeführt und Merkel gesteinigt werden. Nach 90 Minuten ist der Trubel vorbei, begeisterter Beifall. Freudiges Lachen über die herausragende Inszenierung,  aber auch Ohnmacht angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen zeichnen sich auf den Gesichtern des Publikums ab.

„Sie sagt besser nichts. Nichts sagt sie besser.“

Das ETA Hoffmann Theater scheint mit der Inszenierung von Kunze im Zeitalter der digitalen Bühne angekommen zu sein, das Publikum mit simultanen Abläufen fordernd, die Inhalte spielerisch und mit viel Humor umsetzend. Döing, Ullrich und Pira interagieren ausgezeichnet miteinander und lassen keine Langeweile aufkommen. Eine Inszenierung, die Spaß macht, fesselt und auch für das eine oder andere Gelächter sorgt. Tosender Beifall für eine herausragende Leistung. Das ETA, angekommen im tagespolitischen Geschehen.